Zur Bedeutung
Der Codex Sinaiticus ist eines der bedeutendsten Zeugnisse des griechischen Textes der Septuaginta, d. h. des Alten Testaments in der bei den frühen Griechisch sprechenden Christen verbreiteten Version, und des christlichen Neuen Testaments. Keine andere Handschrift der christlichen Bibel wurde so ausführlich mit Anmerkungen versehen.
Schon ein flüchtiger Blick auf die Transkription zeigt, wie häufig Anmerkungen vorkommen, besonders in der Septuaginta. Sie datieren von den Zeiten der ursprünglichen Schreiber im 4. Jahrhundert bis zum 12. Jahrhundert. Sie können Änderungen einzelner Buchstaben bis zur Einfügung ganzer Sätze betreffen.
Ein wichtiges Ziel des Codex-Sinaiticus-Projekts ist es, für ein besseres Verständnis des Textes der Handschrift und der nachfolgenden Korrekturen zu sorgen. Nicht nur sollten wir die Handschrift besser verstehen, sondern auch Einsicht gewinnen in die Wege, auf denen die biblischen Texte kopiert, gelesen und gebraucht wurden.
In der Mitte des 4. Jahrhunderts gab es ein verbreitetes, wenn auch kein vollständiges Verständnis darüber, welche Bücher für die christlichen Gemeinden als verbindlich anzusehen sind. Der Codex Sinaiticus ist, als eine der beiden frühesten Zusammenstellungen solcher Bücher, zentral für ein Verstehen des Inhalts und der Komposition der Bibel, wie auch für ihren tatsächlichen Gebrauch.
Zum Septuaginta-Teil des Codex Sinaiticus gehören auch Bücher, die nicht zur jüdischen Bibel gehören und in der protestantischen Tradition als apokryph betrachtet werden, wie beispielsweise das Zweite Buch Esra, die Bücher Tobit, Judith, das Erste und Vierte Buch der Makkabäer, die Bücher Weisheit und Jesus Sirach. Im Anhang zum Neuen Testament finden sich der Brief des Apostels Barnabas und der „Hirte“ von Hermas.
Die ganz eigene Abfolge der Bücher ist bemerkenswert: Im Neuen Testament wird der Brief an die Juden nach dem Zweiten Brief des Paulus an die Thessalonicher platziert, und die Apostelgeschichte zwischen dem „Hirten“-Brief und den Katholischen Briefen. Inhalt wie Komposition der Bücher im Codex Sinaiticus erhellen die Geschichte der Konstruktion der christlichen Bibel.
Die Tatsache, dass die „Kanonischen Bücher“ in einem einzigen Buch zusammengefasst wurden, beeinflusste unmittelbar die Art und Weise, wie die Christen über ihre heiligen Texte dachten, und ist unmittelbar abhängig von den technischen Möglichkeiten, die der Codex Sinaiticus bezeugt. Die Qualität seines Pergaments und die neuartige Struktur der Bindung, die für das Zusammenhalten von über 73 großformatigen Blätter nötig war, machen den Codex Sinaiticus zu einem außergewöhnlichen Beispiel der Buchherstellungskunst, die eben zugleich den Begriff einer „Bibel“ (als Buch der Bücher) möglich machte. Sorgfältige Planung, kunstvolles Schreiben und editorische Kontrolle waren für ein so ehrgeiziges Projekt nötig, das uns einen wertvollen Einblick in die frühe christliche Bücherproduktion erlaubt
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